Heute vor 85 Jahren: Koordinationsrat der Muslime zur Reichspogromnacht

„Eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte hat heute vor 85 Jahren seinen Anfang genommen. Erst brannten Synagogen, dann starben Menschen. Diese Geschichte zeigt, wohin Hass und Hetze führen. Eine Mahnung und Lehre nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte Menschheit“, erklärt Laurent Ibra, Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM). Anlass ist der 85. Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Laurent Ibra weiter:

„Die Reichspogromnacht heute vor 85 Jahren markiert den Beginn eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Nationalsozialisten haben Jüdinnen und Juden gedemütigt, misshandelt, verhaftet, getötet, ihre Geschäfte und Wohnungen demoliert und zerstört. Ein nicht unwesentlicher Anteil der Bevölkerung ließ sich mitreißen und wurde zum Täter.

Den Grundstein für die Gewaltexzesse haben Nationalsozialisten bereits zuvor gelegt. Sie haben Vorurteile geschürt, Minderheiten dämonisiert, sie verantwortliche gemacht für Probleme, Hass und Hetze gesät, Antisemitismus, Antiziganismus und weitere Formen des Rassismus in die Mitte getragen und die Gesellschaft gespalten. Es folgte ein beispielloser Völkermord, bei dem Millionen nicht deutsch gelesene Angehörige von Minderheiten gejagt und systematisch ermordet wurden – eine Zäsur.

Der 9. November ist nicht nur eine Mahnung und Lehre für Deutschland, sondern für die gesamte Menschheit; das „Nie wieder“ ist nicht nur eine Verantwortung Deutschlands, sondern der Weltgemeinschaft. Wo immer ein Gotteshaus brennt, wo immer Minderheiten angegriffen werden, wo immer Rassismus zutage tritt, ist jede und jeder aufgefordert, zu handeln – ungeachtet der Herkunft, Sprache oder Religion.

Im Schatten dieser Geschichte ist es beschämend, dass heute, 85 Jahre später, immer noch Anschläge auf Synagogen verübt werden, auf offener Straße antisemitische Hetzparolen skandiert werden, Jüdinnen und Juden in Angst und Sorge leben. Wenn uns diese Geschichte etwas gelehrt hat, dann, dass es keinen Unterschied macht, von wem Hass und Hetze ausgehen und gegen wen sie sich richten, dass wir uns ohne Wenn und Aber für Menschenrechte aller einsetzen müssen. Und: Es gibt keine Rechtfertigung für Antisemitismus – genauso, wie es keine Rechtfertigung für alle anderen Formen von Rassismus gibt.

Der Koordinationsrat verfolgt die dramatischen Entwicklungen im Nahen Osten mit großer Sorge und appelliert eindringlich: Die Gewalt im Nahen Osten wühlt weltweit Menschen auf, das Leid der Zivilbevölkerung in der Region ist unermesslich groß und es ist verständlich, dass Emotionen hochkommen. Das darf aber nicht dazu führen, dass Menschen für Verbrechen, die in Gaza und in Israel verübt werden, kollektiv in Haft genommen werden. Wer Menschen aufgrund vermeintlicher Zugehörigkeiten zu Religionen, Sprachen oder anderer Merkmale anfeindet, angreift und gegen sie hetzt, hat nichts gelernt aus der Geschichte. In diesem Sinne fordern und beten wir dafür, dass der Krieg ein baldiges Ende findet und sowohl Palästinenser als auch Israelis ein friedliches, gleichberechtigtes Leben in gegenseitiger Achtung führen können.“