Offener Brief anlässlich der erneuten Eskalation des israelisch-palästinensischen Konfliktes

Wir sind tief besorgt über die eskalierende Gewalt in Jerusalem, die sich mittlerweile auf andere Gegenden in Palästina bzw. Israel ausbreitet. UN-Angaben zufolge wurde von Freitag vergangener Woche bis Montag mehrere Hundert Menschen in Ost-Jerusalem und im Westjordanland verletzt. Raketenbeschuss aus den besetzten Gebieten und dem Gaza-Streifen haben eine weitere Eskalationsstufe in diesem Dauerkonflikt gezündet. Mittlerweile sind auf beiden Seiten Opfer, darunter auch Kinder, zu beklagen. Wir verurteilen diese Eskalation auf das Schärfste und fordern alle Seiten auf, die Kampfhandlungen umgehend zu beenden. Den Familien der getöteten Menschen drücken wir unser Beileid aus, den Verletzten wünschen wir schnelle Genesung.

Dass im heiligen Monat Ramadan die Spirale der Gewalt befeuert wurde und dabei in der für Muslime heiligen Aksa-Moschee Rauchgranaten gezündet und Menschen mit Tränengas angegriffen werden, trifft die religiösen Gefühle der Muslime weltweit.

Ausgangspunkt der Gewalt waren drohende Zwangsräumungen von Wohnungen in Ost-Jerusalem, in denen Palästinenser leben. UN-Rechtsexperten zufolge sind die israelischen Gesetze, die als Grundlage der Räumungen gelten, diskriminierend und unvereinbar mit dem Völkerrecht. Die Besatzung dieser Gebiete wurde in der Vergangenheit durch UN-Resolutionen mehrfach für völkerrechtswidrig erklärt. Auch der KRM verurteilt die Besetzung und die Attacken als Verletzungen des Völkerrechts. 

Die Verlierer der erneuten Gewalteskalation sind unschuldige Zivilisten. In den vergangenen Jahren sind bei Eskalationen auf beiden Seiten mehrere Hundert Menschen gestorben oder wurden verletzt. Nach Jahrzehnten des Konfliktes muss allen deutlich werden, dass es keine Alternative zu einer Lösung gibt, die auf dem Völkerrecht, der gegenseitigen Anerkennung der Grundrechte und dem friedlichen Zusammenleben beruht. 

Jetzt muss jede weitere Eskalation vermieden werden. Die israelischen Sicherheitskräfte müssen sich zurückziehen, der Raketenbeschuss aus Gaza muss aufhören. Jerusalem darf nicht weiter ein Brandherd sein, sondern ein Ort des Dialoges und des Zusammenlebens. 

Der erneute Konflikt verdeutlicht jedoch ein weiteres Mal, dass sich die Probleme nicht von selbst lösen. Der KRM fordert daher die Weltgemeinschaft dazu auf, eine einvernehmliche und gerechte Lösung herbeizuführen. Dem KRM sind sowohl die Sorgen und Ängste der Palästinenser, wie auch die der israelischen Juden aufgrund ihrer Geschichte in Europa bekannt. Vor diesem Hintergrund muss eine Lösung auf den Tisch, die den Sorgen und Interessen aller Beteiligten gerecht wird. In der Geschichte haben in Jerusalem mehrere Religionen in Frieden zusammengelebt. Der KRM ist überzeugt, dass das auch heute und auch in Zukunft möglich ist. 

Daher rufen wir alle politisch Verantwortlichen dazu auf, 

  • nötige Schritte zu unternehmen, damit eine Atmosphäre für zielorientierte Friedensgespräche geführt werden können. Dies ist in der Vergangenheit auf dem Weg zum Oslo-Abkommen 1993 gelungen. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies auch weiter möglich ist. 
  • Dass nötige Schritte unternommen werden, um das humanitäre Leid in den palästinensischen Gebieten zu lindern und nachhaltige Strukturen aufzubauen, um eine autarke Selbstversorgung der Palästinenser in ihren Grundbedürfnissen zu erreichen. Diskriminierende und enteignende Regelungen müssen umgehend ein Ende finden. Sie gehören zu den wichtigsten Konfliktursachen.
  • Weiter fordern wir, dass alles dafür unternommen wird, damit Konflikte nicht neu entfachen. Die gesellschaftliche Mitte beider Seiten muss gestärkt werden. Hier können internationale staatliche Maßnahmen von zivilgesellschaftlichen Hilfs- und Dialogprojekten begleitet werden. Hierbei sind wir gerne bereit, unseren Beitrag zu leisten.

Wir rufen alle zur Besonnenheit auf und verurteilen jedwede Gewalt, auch anderenorts, die sich auf diesen Konflikt beruft.

Köln, 12.05.2021


Unterstützt von:

Schura Niedersachsen-Landesverband der Muslime in Niedersachsen e. V.
Schura Rheinland-Pfalz Landesverband der Muslime e. V.
Schura Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V.
Schura – Islamische Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein e. V.
Schura – Islamische Religionsgemeinschaft Bremen e. V.
Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) e.V.